Frage: Ist der/die andere etwa mehr wert?

Warum ist NEIN-Sagen wichtig für unser Wohlbefinden?

Warum fällt uns NEIN-Sagen schwer?

Gerade emphatische Menschen sagen lieber Ja, als Nein.

Liegt es daran, das wir „anderen“ nicht vor den Kopf stoßen möchten?

Kurze Szene:

Judith hat sich vor geraumer Zeit einen Haushaltsplan erstellt. Sie fühlt sich besser, wenn sie ihren Rahmen absteckt, und z.B. gewisse Arbeiten terminiert. Dies gibt ihr ein Gefühl von Sicherheit, für sich gut zu sorgen. Sie notiert sich also alle 3 Wochen den Kühlschrank auszuwaschen. Und alle 12 Wochen an einem Samstag die Gardinen zu waschen.

Heute ist der Gardinen-Samstag. Da dies ca. 4-5Std in Anspruch nimmt (Gardinen Abnehmen, Waschen, Antrocknen lassen, Bügeln und wieder Aufhängen). Also steht in Judiths Kalender: Samstag 10- 15Uhr Gardinen.

Just ruft um 9.30 ihr bester Freund Ingo an. Er hat sich überlegt, gegen 11 zu einem großen Möbelhaus zu fahren um sich einen neuen Schuhschrank zu kaufen. Sein Problem: er hat kein Auto und Judith soll fahren.

Judith tut sich schwer, NEIN! zu sagen.

In Ihrem Kopf gehen in Windeseile viele Argumente für ein JA! durch den Kopf:

  • Er hat ja kein Auto…
  • Er ist doch mein bester Freund…
  • Wenn er mich schon fragt…
  • Er muss doch Ordnung schaffen, wenn sein neues Date zu ihm nach Hause kommt…
    Und zu guter Letzt: Ich kann ja meine Gardinen auch später noch waschen, oder nächsten Samstag.


Was machen wir, wenn wir uns diese Art von Argumenten selbst liefern?
Genau, wir legen eine Wertigkeit fest. Der andere ist wichtiger/wertiger mit seinem Anliegen, als ich. Auch bedienen wir den Teil, der „gebrauchten Persönlichkeit“ – der/die Versorger_in.
Wir kippen um. Wir stellen unsere Pläne hinten an. Wir stellen uns hinten an (Wenn wir dieses Muster zu häufig bedienen, verlieren wir unseren Selbstwert!)

Nun meine Frage: Ist der andere Mensch wertiger/wichtiger als wir?

Natürlich nicht!

Jetzt könnte man denken, ah- das nächste Mal gehe ich nicht ans Telefon oder beantworte auch keinen Chat, damit ich ungestört meiner Planung nachgehen kann. Ja, das wäre eine Möglichkeit.
Hier würde aber ein fahler Nachgeschmack zurückbleiben. Wir waren nicht klar, haben uns vor einem Gespräch gedrückt, haben uns die Chance genommen zu Wachsen.

Eine andere Alternative wäre, das wir uns üben, andere Lösungen vorzuschlagen.
So z.B.: Judith wollte schon ja sagen, als sie sich sagen hörte:
„Hach Ingo, heute bis um ca. 15 Uhr bin ich verplant, nein. Da geht es nicht.
Wenn Du bis 16 Uhr wartest, gerne. Oder Du nimmst Dir einen Leihwagen.“

Wie Ingo reagiert, wissen wir nicht. Durch die unterschiedlichen Vorschläge, ist er aber nun am Zug. Er kann sich für einen der genannten begeistern, oder alles ablehnen.
Judith aber, kann ihrer Planung nachgehen und ist nicht im Zugzwang. Sie war klar, und blieb bei sich. Ohne Entschuldigung, ohne Erklärung.
Und noch ganz wichtig:
Judith hat Ingos Thema nicht zu ihrem machen lassen!

Sollen wir nun aufhören emphatisch zu sein? Nein!
Mitfühlen ist ein schönes Geschenk, wenn wir lernen damit umzugehen, und uns abzugrenzen. Durch Judiths Mitgefühl sind ihr gleich 2 neue Lösungen eingefallen. Sie kann ihrer Planung nachgehen, und Ingo kann wählen.

Wichtig auch an diesem Beispiel: Es handelt sich nicht um eine Notsituation!

NEIN-Sagen tut gut!
Viel Freude beim Ausprobieren.

*Personen und Namen in diesem Text sind frei erfunden.

Die Fragenstellerin